Deutscher Nato-General droht
mit militärischem Großmanöver gegen Russland
Von
Johannes Stern
http://www.wsws.org/de/articles/2014/11/11/nato-n11.html
75 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs und dem Überfall der
deutschen Wehrmacht auf die Sowjetunion im Juni 1941 bereitet sich die
deutsche Generalität wieder auf Krieg gegen Russland vor. Das
unterstreicht ein Artikel in der Freitagsausgabe der Welt, der
ausführlich den deutschen Vier-Sterne-General Hans-Lothar Domröse zu
Wort kommen lässt. Die Aussagen des Nato-Oberbefehlshabers für Nord- und
Osteuropa kommen einer Kriegserklärung an Russland gleich.
Domröse
droht damit, erstmals Großmanöver des westlichen Militärbündnisses in
den Grenzregionen zu Russland zu veranstalten. „Wir haben bisher
Großmanöver von 25.000 bis 40.000 Mann nur in den westlichen
Nato-Ländern durchgeführt. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir das in
Zukunft auch in Osteuropa und im Baltikum machen“.
Mit anderen
Worten: 25 Jahre nach der Auflösung der Sowjetunion ist die Nato bereit,
zehntausende Truppen in den Grenzregionen zu Russland massieren.
Nachdem Berlin und Washington im Februar einen rechten Putsch in der
Ukraine unterstützt haben, verstärken sie nun die militärische
Einkreisung Russlands. Die Gefahr einer direkten militärischen
Konfrontation mit der Atommacht verschärft sich damit weiter. Selbst Spiegel Online, der seit Monaten gegen Russland hetzt, bezeichnet die Pläne als „provokante Aktionen gegen Moskau“.
Die
neu geschaffene „Speerspitze“ der Nato soll laut Domröse
schlagkräftiger und früher einsatzbereit sein, als bisher geplant. „Wir
werden eine Schnelle Eingreiftruppe der Nato aufbauen, die aus etwa
5.000 bis 7.000 Mann besteht und die innerhalb von zwei bis fünf Tagen
im Einsatzgebiet sein kann“, so der General. „Nach unseren Planungen
soll die Schnelle Eingreiftruppe im September 2015 beim Großmanöver
‚Trident Juncture’ in Spanien und Italien und Portugal teilnehmen. Wenn
alles planmäßig verläuft, kann die Schnelle Eingreiftruppe bis Ende 2015
einsatzbereit sein.“
An der „Speerspitze“ können, so Domröse,
Nato-Mitglieder und Nicht-Nato-Mitgieder teilnehmen, „die über die
notwendige Hightech-Ausrüstung und entsprechend ausgebildete Soldaten
verfügen“. Deutschland soll dabei eine führende Rolle spielen. Sechs bis
zehn Nationen sollen jeweils für ein Jahr die „Speerspitze“ bilden,
danach werde gewechselt. In jedem Zyklus werde es eine Führungsnation
geben, „wozu ganz sicher irgendwann auch Deutschland gehören wird“.
Diese
hoch mobilen Truppen müssten „allerdings über eine riesige Luftflotte
verfügen, damit sie schnell am Einsatzort sein können“. Die
Bereitstellung von Transportmitteln sei „eine der größten
Herausforderungen für die Nato-Länder“.
Was Domröse und der Nato
vorschwebt, ist eine neue Form des Blitzkriegs. Der Nato-Gipfel in Wales
im September dieses Jahres habe auf die „neuen Herausforderungen“ mit
einem „Plan für höhere Einsatzbereitschaft“ reagiert. „Die Nato hat
erkannt, dass wir schneller und flexibler sein müssen, aber auch besser
ausgerüstet.“ Die bisherige Eingreiftruppe sei zu langsam.
Domröse
verglich die Nato-Streitkräfte mit einem Feuerwehrauto, das einen
platten Reifen habe und viel zu lange brauche, um im Ernstfall ein
Einsatzgebiet innerhalb der Nato-Grenzen zu erreichen. Es komme darauf
an, „eine gut ausgebildete Truppe aus verschiedenen Ländern zu einer
bestimmten Zeit sehr schnell zusammenzuführen und zum Einsatz zu
bringen“.
Der General nimmt kein Blatt vor den Mund. Die
Kriegspläne der Nato erforderten eine massive Erhöhung der
Rüstungsausgaben und würden die Mitgliedstaaten „viel Geld“ kosten. „Die
Truppe muss bestens ausgerüstet und trainiert sein, und sie muss in
Dauerbereitschaft sein, auch an den Wochenenden. Das ist nicht billig,
es werden hohe Investitionen in die Verteidigungsbereitschaft der Nato
nötig sein.“
Das Bündnis müsse sich dringend modernisieren: „Die
Nato muss sich fit machen für eine mögliche Kriegsführung im 21.
Jahrhundert. Dazu gehört die Abwehr von konventionellen Angriffen, aber
auch die Fähigkeit, Cyberangriffe abzuwehren oder eine lokal begrenzte
Destabilisierung durch subversive feindliche Kräfte, die schwer zu
fassen sind, zu kontrollieren.“
Als Rechtfertigung für neue
Kriegsvorbereitungen gegen Russland dient dem General die Reaktion
Moskaus auf die vom Westen provozierte Krise in der Ukraine. Die
Annexion der Krim und der Bruch sämtlicher internationaler Regeln hätten
die Nato überrascht. „Wir haben gesehen, dass Präsident Putin die
russischen Streitkräfte schlagkräftiger gemacht hat und dass die
russischen Truppen verdammt schnell sind.“
Die Aussagen Domröses,
der das Allied Joint Force Command der Nato im niederländischen Brunssum
leitet, unterstreichen, dass die Bundeswehr in der Tradition der
deutschen Generalität und der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg steht. Das
Dritte Reich überfiel am 22. Juni 1941 unter dem Decknamen „Unternehmen
Barbarossa“ die Sowjetunion und führte einen fürchterlichen
Vernichtungskrieg, der 27 Millionen Sowjetbürgern das Leben kostete.
Nach der Niederlage Nazi-Deutschlands war der deutsche Militarismus
gezwungen, sich einige Jahrzehnte pazifistisch zu geben. Nun berauschen
sich deutsche Politiker, Journalisten, Professoren und Militärs wieder
an Kriegstiraden gegen Russland.
Im Fall von Domröse hat das einen
besonders üblen Beigeschmack. Sein Vater, Lothar Domröse, kämpfte im
Zweiten Weltkrieg als Kompaniechef der Wehrmacht an der Ostfront. 1956
wurde er im Zuge der Wiederbewaffnung in die Bundeswehr übernommen und
legte eine steile Karriere hin. 1973 wurde er Generalmajor und Stabschef
der Northern Army Group (NORTHAG – Heeresgruppe Nord). 1975 übernahm er
das Amt des Chefs des Stabes des Führungsstabes der Streitkräfte. Nun
hat sich der Sohn offenbar erneut zur Aufgabe gestellt, was sein Vater
als Soldat im Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg nicht geschafft hat:
die militärische Unterwerfung Russlands.
Der Bundesregierung ist
die historische Brisanz der Aussagen Domröses offensichtlich bewusst.
Der Sprecher des Auswärtigen Amtes Martin Schäfer war um Deeskalation
bemüht und behauptete, Manöver dieser Größenordnung im Osten Europas
seien auf absehbare Zeit nicht vorgesehen. Er erklärte: „Möglichst
konstruktive und gute Beziehungen zu Russland zu erhalten – das nehmen
wir ernst.“ In Wirklichkeit entsprechen die von Domröse ausgesprochenen
Pläne, der neuen aggressiven Außenpolitik der Bundesregierung und sind
auf höchster Ebene abgestimmt.
Domröse ist ein enger Vertrauter
von Joachim Gauck, der eine zentrale Rolle bei der Wiederbelebung des
deutschen Militarismus spielt. Beim letzten Neujahrsempfang präsentierte
sich der General medienwirksam an der Seite des Bundespräsidenten und
seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt im Schloss Bellevue in Berlin. Nur
wenige Wochen später verkündeten Gauck, Außenminister Frank-Walter
Steinmeier (SPD) und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU)
auf der Sicherheitskonferenz in München das Ende der militärischen
Zurückhaltung. Seitdem geht es Schlag auf Schlag. Auf den Putsch in der
Ukraine folgten das militärische Eingreifen im Nahen und Mittleren Osten
und nun immer direktere Kriegsvorbereitungen gegen Russland.
Geht
es nach den deutschen Eliten, sollen Militarismus, Diktatur und Krieg
wie zu Zeiten des Ersten und Zweiten Weltkriegs wieder zur „Normalität“
werden. In einem Interview mit der Zeit unter der Überschrift
„Raushalten ist keine Option“ drohte Steinmeier jüngst: „Wir müssen uns
darauf vorbereiten, dass Krisen leider eher zur Normalität der nächsten
Jahre gehören werden.“
Als Die Zeit ihn darauf
hinwies, dass „anders als die politische Elite die Bürger in Deutschland
von mehr internationalem Engagement wenig wissen wollen, schon gar
nicht von Militärinterventionen“, erklärte der Außenminister provokativ:
„Raushalten ist trotzdem keine Option. Die Vorstellung, wir können auf
einer Insel der Seligen in Europa leben und werden in Ruhe gelassen vom
Wüten der Welt, das wird nicht funktionieren.“